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Chin Meyer

James Bond des kleinen Mannes

Fuselanleihen, Suff-Sammel-Obligationen und Delirium-Garantie-Zertifikate – mit möglichen Schuldverschreibungen der Kunden eines fiktiven Bad Segeberger Kneipenbesitzers erklärte Chin Meyer alias Steuerfahnder Siegmund von Treiber auf anschauliche und unterhaltsame Weise den Verkauf der Bankenkrise und gab gleichzeitig einen Einblick in das Leben in einem Finanzamt und das Dasein eines selbst ernannten „James Bond des kleinen Mannes“.

Meyer, der in Norderstedt aufgewachsen ist und mittlerweile in Berlin lebt, trat in der Reihe „Kultur überm Markt K1,5“ und konnte sich über eine mit rund 200 Zuschauern ausverkaufte Aula freuen. In dieser stellte sich bald ausgelassene Freude ein, denn Meyer verstand es geschickt mit seinen Lesungen aus dem Tagebuch eines Finanzbeamten auf der Klaviatur der Vorurteile dieses Berufsstandes zu reiten und zum anderen komplizierte Sachverhalte des Wirtschafts- und Finanzlebens verständlich und satirisch zu erläutern.

So ließ bei dem Beispiel der Kneipen- und Bankenkrise der Wirt anschreiben, was zu immer mehr Kunden führet, die anschreiben ließen. Diese Schuldscheine wurden dann von cleveren Bänkern gebündelt, mit schönen Namen gebündelt und weiter verkauft. Rating-Agenturen – der Name käme von „raten“ wie „rätseln“ – beurteilten die Schuldscheine mit dreifachem A – was wiederum für den Alkohol steht. Als irgendwann die kleine Bank vor Ort endlich richtiges sehen wollte, brach das Konstrukt zusammen und der Kneipenwirt bat um Hilfe vom Staat: Schließlich seien seine Gäste größtenteils Hartz IV-Empfänger und damit sowieso von Steuergeldern alimentiert. So wurde dann der Kneipenrettungsschirm aufgespannt.

Auch für die Staatsverschuldung wusste Meyer eine Lösung: Jeder Steuerfahnder bringe dem Staat jährlich eine Million Euro, also müsste der Staat zwei Millionen Steuerfahnder einstellen und wäre gleichzeitig mit den Finanznöten auch die Arbeitslosigkeit los. Als ein solcher trat Meyer selbstbewusst auf. Mit gegeltem Haar, Hornbrille, Aktentasche und drei Kugelschreibern in der Farbkombination Schwarz-Rot-Gold in der Brusttasche gab er das Idealbild einer Steuerfahnder-Karikatur, in der er die Besucher wie alte Bekannte per Handschlag begrüßte.

Von den Steuern ausgehend beschäftigte er sich auch mit anderen Feldern der heutigen Gesellschaft wie Koch-Shows und Tiersendungen. So sah er schon eine Koch-Show drohen mit dem Kannibalen von Rothenburg Armin Meiwes mit dem Gericht „Berliner Geschnetzeltes“. Auch Bundespräsident Christian Wulff durfte nicht fehlen. „Der weiß, wo man günstig Geld her kriegt“, sagte Meyer über den Bewohner von Schloss Bellevue in Berlin, das er zur „Wulffsschanze“ umtaufte. Schließlich ist Wulff ein deutscher Führer, der mit seiner ungezügelten Aggressivität am Telefon ideal für die Kontakte Deutschlands mit radikalen Staatenlenkern ist. Wulffs Rede, in der er den Islam als zu Deutschland gehörig nannte, mache vor dem aktuellen Hintergrund Sinn: „Der Islam ist gegen Zinsen und Wulff eine Art Zins-Taliban!“

Zum Finale wurde es dann richtig ausgelassen, als Meyer aus der Liebesgeschichte von Peter Gülzow und Bettina Teegen, die sich im ehemaligen Bahnhofsrestaurant in Bad Segeberg kennen und lieben gelernt hatten, spontan ein Lied machte. Und begeistert mitgesungen und geklatscht wurde dann zum Lied des Steuerbürgers Karl-Heinz: „Karl-Heinz, Karl-Heinz – mal hat er Geld, mal hat er keins!“

Wir danken Herrn Strehmel von der Segeberger Zeitung für die überlassung der Rohfassung seiner Kritik und seiner Bilder.