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Birte und der alltägliche Wahnsinn

Musik und Aggressionsbewältigung

Bad Segeberg. Anscheinend waren die Treppenstufen in die Aula der Dahlmannschule zum Konzert der Reihe „Kultur K1,5“ mit „Birte und der alltägliche Wahnsinn“ dieses Mal einigen zu viele, denn mit knapp 100 Besuchern war der Saal nur zu zwei Dritteln gefüllt. Bedauerlich für die Veranstalter und auch die Sängerin und Pianistin Birte Gäbel, die allerdings auch noch wenig bekannt ist. Erst im vorigen Jahr erschien ihre Debüt-Platte „ungeschminkt“.

Der Titel der CD bezog sich auf die Lieder und passte auch zum Programm unter dem Motto „weiblich, witzig, wahnsinnig“, denn Birte Gäbel bezieht die Inspirationen zu ihren Liedern aus dem Alltag und dessen Beobachtung. So thematisierte sie in einem Handy-Lied die heutige Form der Kommunikation, bei der Menschen zwar reden, aber nicht mehr direkt miteinander, sondern über das Mobiltelefon. In einem Lied über Männer und Frauen besang sie die Vorurteile, dass Männer Fußball schauen und Frauen shoppen, aber relativierte dieses dann auch und kam zum Ergebnis, dass beide Geschlechter neben Fußball und Shoppen auch ein Reimwort auf letzteres vereint.

Ihre Alltagsbeobachtungen fasste Birte Gäbel allerdings in eher freundliche, denn bissig-satirische Worte. Der Humor zeigte sich zwischen den Zeilen und in der Darbietung. So war das Publikum bei „Ich trag die Sonne im Herzen“ mit Partytröten für Stimmung zu sorgen. Die Tröten wurden dann im Laufe des Abends auch gerne weiter benutzt, um den Applaus zu verstärken.

Bei ihrem „Hoch auf die Bürokratie“ bot Frau Gäbel ihrem Publikum ein Aggressionsbewältigungstraining: Auf den Plätzen waren kopierte Lohnsteuerformulare ausgelegt, die nach Choreographie der beiden Sängerinnen Lena Jeschke und Ann-Brit Gäbel, die selber zwei Beamtinnen mimten, tanzend zerfetzt wurden.

Musikalisch und stimmlich zeigte die 27-jährige Birte Gäbel, die an der School of Music in Hamburg studiert hatte, dass da noch Potential vorhanden ist. Zwischen Rock und Funk, Balladen und Reggae waren ihre Lieder immer mit einem Hauch Jazz und Swing angelegt und erinnerten manchmal an Steely Dan. Außerdem unterscheidet sie sich von vielen gegenwärtigen Sängerinnen durch eine klare und saubere Stimme.

Unterstützt wurde sie von einer guten Band, die in Bad Segeberg ihr Debüt in neuer Besetzung gab. Schlagzeuger Benjamin Niederau und Bassgitarrist Claudio Becker-Foss waren erst im Herbst vorigen Jahres zur Gruppe gestoßen, zu der noch Gitarrist Mads Rohde und die beiden Background-Sängerinnen gehören.

Bei dem Konzert gab es noch eine weitere Premiere: Wenige Stunden vor dem Auftritt von Birte Gäbel war die neue Lichtanlage in der Aula der Dahlmannschule eingebaut worden. Nach anderthalb Jahren Wartezeit kann nun bei Konzerten und anderen Veranstaltungen in der Aula auf zusätzliche Lichttraversen verzichtet werden.

pjm

Wir danken Herrn Strehmel von der Segeberger Zeitung für die überlassung der Rohfassung seiner Kritik und seiner Bilder.